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16

Feb 2018

#5 Kulturerbe total

Die Bibliothek als Wissensform

Stiftung Bibliothek Werner Oechslin, Einsiedeln

Stiftung Bibliothek Werner Oechslin

Führung und Präsentation ausgewählter Bücher durch Prof. Dr. Werner Oechslin

Claude Du Molinet, Le Cabinet de la Bibliothèque de Sainte Geneviève, Paris 1652

Die gebaute, ‚körperliche’ Bibliothek hat den Vorteil, dass sie und die in ihr – dem alten Prinizip einer «ostentatio eruditionis» zufolge - zur Schau gestellten Bücher, den Sinnen unmittelbar zugänglich sind. Sie sind ‚auf einen Blick’ erkennbar, nicht nur als vereinzelte ‚Information’, sondern in ihrem Zusammenhang und in ihrer Aufstellung. Das macht die konkrete, unmittelbar wahrnehmbare ‚Wissensform’ aus. Justus Lipsius hatte für eine Bibliothek drei Dinge vorausgesetzt, die Bücher, einen Ort und den Schrank («armarium»). Damit kann man Ordnungen erstellen, in denen sich das Vor-Wissen abbildet und die sich stets in Bewegung befindet, weil sich Einsichten vermehren und auch verändern. Die Bibliothek als Wissensform ist ein Forschungsinstrument, weil sie mit ihren ‚Strukturen’ in den Erkenntnisprozess einbezogen ist und nicht bloss passiver Dienstleister ist. Je näher eine Bibliothek der forschenden Tätigkeit ist, desto lebendiger, dynamischer ist sie – und muss sie sein. Sie steht mittendrin im Bemühen um Erkenntnis und Fortbildung. Es versteht sich von selbst, dass eine solche Bibliothek ein ‚Modell’ unter vielen ist; es bietet sich für eine kleine, deshalb ‚übersichtliche’ Forschungsbibliothek an, die sich auf die Quellenliteratur insbesondere ausrichtet. 

Denkschau

Key Messages aus der Veranstaltung

#5 Kulturerbe total

«Bücher, ein Ort, ein Schrank. Das sind die drei Voraussetzungen für eine Bibliothek. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer zielgerichteten (Wissens)Ordnung.»

Werner Oechslin, Architekturhistoriker, 16. Februar 2018

«Bücher, ein Ort, ein Schrank. Das sind die drei Voraussetzungen für eine Bibliothek. Daraus ergibt sich die Möglichkeit einer zielgerichteten (Wissens)Ordnung.»

Werner Oechslin, Architekturhistoriker, 16. Februar 2018


#5 Kulturerbe total

Die Bibliothek als Wissensform

Aus: Bericht von Werner Oechslin, in: Kulturerbe total (2019). https://doi.org/10.5281/zenodo.3351489

Eine Bibliothek ist ein Gebilde, das auf Dauer angelegt ist. Ihre ureigenste Funktion ist es, uns zu überleben. Sie stiftet Gedächtnis und sie erhält die Erinnerung, indem sie den Büchern einen sicheren Ort gewährt. Sie stellt zudem dieses gesammelte Wissen dar, und zwar so, dass es möglichst ohne Umschweife, «auf einen Blick», erfahrbar wird.

Bücher sind, wie es der alte griechische Begriff der «biblio-thek» sagt, auf irgendeine Art in einem ‹Behältnis› aufgestellt oder eben auch aufbewahrt. Justus Lipsius hatte für eine Bibliothek drei Dinge vorausgesetzt: die Bücher, einen Ort und den Schrank («armarium»). Damit kann man Ordnungen erstellen, in denen sich das Vor-Wissen abbildet, und die sich stets in Bewegung befinden, weil sich Einsichten vermehren und auch verändern. Und es ist unschwer einzusehen und nachzuvollziehen, dass aus dieser Notwendigkeit einer irgendwie geordneten Aufstellung sehr schnell die Möglichkeit einer gezielten, beabsichtigten Ordnung entsteht.

Auf diese Weise wird die Bibliothek zum Instrument einer Wissensordnung, als die sie dann auch kulturgeschichtlich ihre Bedeutung gewonnen und konsolidiert hat. Sie ist eine Wissensform par excellence, in der das Wissen nicht nur symbolhaft abstrakt, sondern durch die Bücher selbst konkret gegeben und versammelt ist.

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