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08

Okt 2015

#1 Facettenreiche Schweiz

Diversità linguistica – Bricolage linguistique – Mehrsprachigkeit – Mixing languages

Universität Basel

Schweizerische Sprachwissenschaftliche Gesellschaft (SSG)

Was passiert, wenn wir zwischen den Sprachen «switchen», bestimmte Wörter aus einer zweiten Sprache in unsere Sätze mischen, in situ basteln? Das betrifft die Landessprachen, aber auch – und vielleicht sogar noch mehr – die Sprachen der Einwanderung oder jene, die bei der Arbeit in multikulturellen Teams oder mit internationalem Bezug praktiziert werden. Ziel dieser Veranstaltung ist es, diese Praktiken, ihre Kontexte, ihre formalen Merkmale, ihre symbolischen und identitätsstiftenden Dimensionen, ihre lokalen wie auch kosmopolitischen Auswirkungen besser zu verstehen.

Diese Veranstaltung bietet einen Beitrag der aktuellen sprachwissenschaftlichen Forschung zur Frage der Sprachendiversität in der Schweiz an.  In der breiten Öffentlichkeit werden die Verschiedenartigkeit der Sprachregionen der Schweiz, wie auch ihre internen Variationen – dialektal oder regional – und die damit verbundenen Gefühle von Zugehörigkeit und Identität – als selbstverständliche schweizerische Besonderheit angesehen. Die Überlegungen, die wir hier anstellen, haben nicht zum Ziel, dieses Bild der mehrsprachigen Schweiz zu untermauern. Wir möchten vielmehr zum Nachdenken anregen über andere mehrsprachige Praktiken, die charakteristisch sind für einen wichtigen Teil der Bevölkerung, die viele Situationen und Aktivitäten in der Schweiz prägen und eine Diversität von Sprachen mit sich bringen, die weit über die Grenzen der Schweiz – oder vielmehr Europas – hinausgeht : Formen von Sprachen-durchmischung, von code-switching von einer in die andere Sprache, von in situ Improvisationen, die nicht nur die Nationalsprachen betreffen sondern auch – und vielleicht sogar öfter – die Sprachen der Immigration, der linguae francae (Englisch natürlich, aber auch Italienisch unter den aus dem Süden Zugewanderten, Umgangsarabisch, etc.), Sprachen am Arbeitsplatz, in multikulturellen Teams oder in institutionellen Konstellationen in internationalem Umfeld. Diese Formen von Sprachendurchmischung sind heterogen, entstehen aus interkulturellen Konfigurationen, die dem Zufall der Begegnungen, der Kollaborationen, der Lebensläufe, der sozio-ökonomischen Strategien von Individuen und Firmen entspringen. Sie lassen sich nicht reduzieren auf Modelle wie  « alles auf Englisch » oder « jeder spricht seine Sprache » ; sie lösen Verhandlungen bezüglich der Umgangssprache aus, die spezifisch auf jede Situation abgestimmt sind ; sie produzieren mehrsprachige Praktiken, die die Grenzen zwischen sedimentierter Zweisprachigkeit, Improvisation, Wechsel zwischen Sprachen, Mischung von Sprachen, situationsbezogenem Kreieren von Wortrepertoires überschreiten. Ziel der durch die VALS-ASLA organisierten Veranstaltung ist es, diese Praktiken genauer zu erfassen, ihren Kontext, ihre formellen Charakteristiken, ihre symbolischen und identitären Dimensionen, ihre lokalen und kosmopolitischen Auswirkungen. Speziell im Fokus wird die mehrsprachige Praxis im öffentlichen Dienst sein, in der Administration, den Institutionen und Schweizer Firmen. Das Thema Zweisprachigkeit in der Familie oder unter Freunden ist schon weitestgehend untersucht worden; Zweisprachigkeit im institutionellen Kontext hingegen sollte noch umfassender erforscht werden.

 

Um auf diese Aspekte einzugehen, wird die Veranstaltung in drei Teilen präsentiert:

a) Im ersten Teil wird ein international bekannter Spezialist für code-switching intervenieren, Peter Auer (Universität. Freiburg im Breisgau). Zielsetzung dieses Teils wird sein, die theoretischen Modelle zu erklären, die es ermöglichen, Sprachendurchmischung und Permeabilität der Sprachen, wie auch die Entstehung und Verfestigung dieser Sprachimprovisationen zu konzeptualisieren.

b) In einem zweiten Teil werden konkrete Beispiele aus der Schweiz vorgestellt durch Linguisten, die die Sprachdurchmischung im öffentlichen Raum erforschen – im institutionellen und professionellen Kontext (z.B. im öffentlichen Dienst). Während die Mehrsprachigkeit im Privatleben von Personen (mit Freunden, in der Familie) weitestgehend erforscht ist, wurden diese Kontexte weniger beachtet ; sie erlauben jedoch, grundlegende Fragen zu stellen über die Art, in der Mehrsprachigkeit in der Schweiz sichtbar wird im öffentlichen Raum, zu hinterfragen, um welche Art von Mehrsprachigkeit es sich handelt, die Verbindung aufzuzeigen zwischen lokalen und globalen Dynamiken, zwischen lokaler Kultur, Migration, Tourismus und Kosmopolitismus – wie auch die durch die Sprechenden verwendeten Behelfslösungen, um auf die linguistische Diversität ihrer Kundschaft oder ihrer Geschäftspartner einzugehen. In diesem Teil sollen dem Publikum auch Beispiele aus Forschungsarbeiten und empirische Daten aus verschiedenen Regionen der Schweiz präsentiert werden.

c) Danach wird eine Diskussion folgen mit Gesprächsteilnehmern, die langjährige Erfahrung haben in der Beobachtung der Mehrsprachigkeit in der Schweiz. 

Denkschau

Key Messages aus der Veranstaltung

#1 Facettenreiche Schweiz

Das Mischen von Sprachen ist nicht zwangsläufig Ausdruck mangelnder Sprachkompetenz. Es kann im Gegenteil eine bewusste, sinnstiftende Wahl sein.

08. Oktober 2015

Das Mischen von Sprachen ist nicht zwangsläufig Ausdruck mangelnder Sprachkompetenz. Es kann im Gegenteil eine bewusste, sinnstiftende Wahl sein.

08. Oktober 2015


#1 Facettenreiche Schweiz

Diversità linguistica – Bricolage linguistique – Mehrsprachigkeit – Mixing languages

In einem kurzen Referat erläuterte Peter Auer, einer der renommiertesten Experten im Gebiet der Mehrsprachigkeit, die grundlegenden Konzepte des Sprachenmischens: Das «Code Switchen» – das Wechseln in eine andere Sprache für die Länge eines Satzes oder Teilsatzes – zum einen, das «Mixen» – das Einfügen einzelner Wörter aus einer anderen Sprache in die Hauptsprache – zum anderen. Aus der nachfolgenden Diskussion zwischen Referenten und Publikum ergab sich folgende These: Nicht immer ist das Sprachenmischen eine Tugend, die aus der Not heraus entsteht. Auch derjenige, der über ein reiches Vokabular sowie ein solides grammatikalisches Wissen in mehreren Sprachen verfügt, entscheidet sich zuweilen fürs «Switchen» und «Mixen». In diesen Fällen erfüllt der Entscheid, einzelne Sätze, Satzteile oder Wörter in einer zweiten Sprache auszudrücken, eine ganz bestimmte Funktion. Martin Luther etwa wechselte an Tischgesprächen – so die Aufzeichnungen seiner Schüler – ganz gezielt zwischen dem Deutschen und dem Lateinischen. Je nach dem, worüber er gerade sprach.

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